Fußball überregional

 Hamburg hält Abstand

Oberbürgermeister, Vereinspräsident, die Fußball-Prominenz von früher, alle eins mit dem gemeinen Volk. Den SC Freiburg gilt es abzufeiern.

Seit Tagen geht es so und ebbt sehr langsam ab. Dabei hat der Sportclub seine größten Ziele verfehlt. Die mögliche Champions-League-Qualifikation verpasste er an den letzten Spieltagen, der greifbare DFB-Pokal ging im Elfmeterschießen verloren. Jeweils scheiterte der SC Freiburg an RB Leipzig.

Freiburg strotzt vor stolz. So sehen Verlierer aus.. .

In Hamburg ahnt Tim Walter, was auf ihn zukommen wird. Ihn beherrschen „Stolz“ und „Enttäuschung“, sagt der HSV-Trainer. Zu weiteren Aufgaben, zur neuen Saison will er sich nicht äußern. Dabei sind die Ferien kurz. Die 2. Liga startet Mitte Juli schon wieder.

2. Liga HSV: Die Stadt war vorbereitet auf eine Aufstiegs-Party. Nach dem 1:0 im Hinspiel gab es nichts anderes. Doch die 90 Minuten vom Montag zeigten den Unterschied zwischen 1. und 2. Liga. Hertha – sportlich, wirtschaftlich und ideell kriselnd – hatte seine prägenden Personen wieder dabei. Trainer Magath erteilte Nachhilfe in Fußball-Schach. Boateng, in seinem Alter und der angegriffenen Kniegesundheit, zog das Geschehen an sich. Zwei Spiel in vier Tagen schafft der 35-Jährige nicht mehr. Magath gab Boateng das Finale und baute um ihn eine Mannschaft, die mangelnde Schnelligkeit und fehlendes Deckungsverhalten des Leitwolfs auffing.

Glück hatte Magath mit Plattenhardt, dem Ausnahmekönner am ruhenden Ball. Plattenhardt bereitete mit einem Eckball das frühe 1:0 der Hertha vor und ließ später HSV-Keeper Heuer Fernandes mit einem Freistoß von der Seite ins lange Eck schlecht aussehen.

Nicht nur Heuer Fernandes entschied das Spiel gegen den HSV. Die Offensive stockte, Hamburg hatte kaum eine Torchance. Jatta kam nicht in die Tiefe, Reis fehlte die Effizienz, Kittel war ein Totalausfall. So brachte es Torjäger Glatzel auf nur wenige Ballkontakte.

Tim Walter verwies auf „die jüngste Mannschaft der 2. Liga“. Diese Interpretation ist gewagt. Kittel, Reis, Heuer Fernandes, Glatzel und Jatta sowie die 27-jährigen Führungsspieler Schonlau und Heyer sind keine „Talente“ mehr, denen fehlende Wettkampfhärte entschuldigt werden kann.. Die Jugend sitzt beim HSV auf der Bank.

In Freiburg – Kongress des Bundes Deutscher Fußball-Lehrer – referiert Volker Finke, 74 mittlerweile, über Talentförderung und die großen Fehler in den Nachwuchsleistungszentren. Dort wird viel Geld bereits für 15-Jährige ausgegeben, ein Trainer aber häufig auf 450-Euro-Basis beschäftigt, was nicht nur Finke für einen Skandal hält. Gleichwohl sollen Erfolge her schon im Jugendbereich, weshalb die Trainer sich auf die Größten und Kräftigsten stützen.

Dem Teufelskreis zu entrinnen, erfordert Können, Geduld und dien Rückhalt des Vereins. Diese Komponenten sieht Volker Finke, Pensionär mittlerweile, beim Sportclub immer noch erfüllt. Das Freiburger Ziel „Klassenerhalt“ gilt außerhalb des Breisgaus als Tiefstapelei. Der bundesweit anerkannte Christian Streich ist auch schon seit einem Jahrzehnt Cheftrainer; Finke war es 16 Jahre lang. Streichs Qualifikation fürs Amt resultierte aus langjähriger Tätigkeit im Jugendbereich. Der SC Freiburg identifiziert sich über Vertrauensmänner, nicht über kurzfristige Erfolge. So ließ sich sogar ein Abstieg reparieren, die „Enttäuschung“ war ein Ansporn.

Der Hamburger SV geht in sein fünftes Zweitliga-Jahr. Während der SC Freiburg seine Herkunft nie vergessen hat, denken sich in Hamburg immer noch viele größer, als sie sind. Der Montag zeigte aber, dass ihm einiges sogar zur maladen Hertha fehlt. Der Abstand nach Freiburg ist noch größer.

© Boyens Medien - Texte und Fotos sind urheberrechtlich geschützt.
Weiterverwendung nur mit Genehmigung der Chefredaktion.