Tellingstedt

Sprachlosigkeit

„Da hilft nur noch beten…“, höre ich häufig in Gesprächen – was aber, wenn mir die Worte zum Gebet fehlen? Wenn ich sprachlos (geworden) bin von allem Leid, das ich in der Welt sehe, von Krankheit und Schmerz, die mich umgeben? Oder wenn ich gar nicht erst weiß, wie das geht mit dem Beten, weil ich es nie gelernt habe?

Dafür hält die Bibel einen unfassbar reichen Schatz für uns bereit – ein ganzes Buch, gefüllt mit 150 Psalmen voll von menschlichen Worten wie von dir und mir. Sie handeln von Klage, Lob und Dank, von Freude, Zweifel und Liebe, von Wut, Anklage und Versöhnung und von vielem mehr. Sie sind wie ein bunter Blumenstrauß, ja mehr noch, wie ein ganz besonderer Blumenladen, der neben allen frohen Farben auch die düsteren nicht ausspart. Und nicht nur prachtvoll blühende Blumen sind darin zu finden, sondern auch kraftlose und nahezu vertrocknete. Ich darf frei wählen, welche mir gerade guttun. Ich darf mir die Worte dieser Texte leihen. Sie sind sogar genau dazu da. Mehr als einen Augenblick der Stille braucht es dann nicht mehr zum Gebet – vielleicht noch eine Kerze, Blumen habe ich ja schon.

Laura Schimmelpfennig, Vikarin in Tellingstedt

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