Im Selbstversuch Drehleiter: Über den Dächern der Schleusenstadt

Magnus Ehlers
Bei meinem ersten Selbstversuch, dem Segelfliegen, habe ich mich schon einmal in luftige Höhen begeben. Auch ein früherer Ausflug in einen Kletterpark haben in mir den Gedanken verfestigt. Höhe und ich: Wir passen nicht zusammen. Und wenn, dann eher wie zwei Magnete, die sich gegenseitig abstoßen.
Aber ich bin neugierig, und als Wehrführer Lars Kumbartzky mir den Vorschlag unterbreitete, die Drehleiter hochzuklettern, konnte ich einfach nicht Nein sagen. Zu sehr hat mich das Gefühl beim Aufstieg interessiert und ob ich überhaupt oben ankomme oder ob die Feuerwehr meinetwegen auf ihrem eigenen Hof zur Höhenrettung ausrücken muss. Also, was soll schon schiefgehen? Wäre sonst auch eine Geschichte, Magnus macht’s: Meine Rettung von der Drehleiter.
Sicherung anlegen, bevor es losgehen kann
Anders als im Notfall, bei dem es ja auf jede Sekunde ankommt, muss ich vor meinem Aufstieg die Klettersicherung anlegen. Also legt mir Jan Heiko Brauer das Klettergeschirr an. Schon das lässt mich etwas durchatmen. Aber erste Zweifel machen sich breit: Ob ich mir das alles so richtig überlegt habe?
Nach außen versuche ich entspannt und entschlossen zu wirken – im Inneren ist mir doch etwas unwohler. Alles getestet, alles passt. Dann kann die Leiter in Stellung gebracht werden.
Jan Heiko Brauer fährt die Stützen der Drehleiter heraus und baut die Umlenkrolle für das Sicherungsseil ein. Dann nur noch das Seil die Leiter entlangführen. Das eine Ende wird an einen Karabiner meiner Kletterausrüstung, das andere am Fahrzeug befestigt.
Dann erhebt sich die Leiter.
Blick nach oben und größere Zweifel
Mein „neuer Arbeitskollege“ Jan fährt die Leiter auf 25 Meter. Von unten sehe ich, wie die Leitersegmente sich auseinander bewegen. Meinen Kopf muss ich schon weit in den Nacken legen, um den Korb zu sehen. Und da muss ich gleich hoch?
Die Leiter gleicht einer Sprossenwand, die ich aus dem Sportunterricht kenne, jedoch ohne Wand, die sie hält. Ich muss schlucken. Ist das alles so richtig? – schießt es mir durch den Kopf. Aber jetzt bin ich schon gesichert. Es gibt kein Zurück. Der Blick nach oben verheißt nichts Gutes. Dann wird eine kleine Leiter an das Fahrzeug gestellt. Mein Aufstieg kann beginnen.
Erste langsame Schritte
Die kleine Hilfsleiter ist kein Problem. Nach wenigen Sekunden habe ich die Sprossen der Drehleiter in den Händen und unter den Füßen. Einmal umdrehen für Instagram, kein Problem. Noch kann ich lächeln. Dann klettere ich weiter. Stufe für Stufe. Ich bin voll darauf konzentriert, nicht ins Leere zu treten oder zu greifen.
Auf einmal will unser Videoreporter Martin, dass ich mich erneut umdrehe und noch einen Satz in die Kamera spreche. Ich bin zwar noch nicht weit nach oben gekommen. Aber der Blick nach unten ist dann doch schon etwas beängstigend. Dann darf ich endlich weiter. Stufe für Stufe.
Den Blick nach oben scheue ich, das habe ich schon am Boden gelernt. Das Ziel soweit entfernt zu sehen, hätte mich nur noch mehr verängstigt.
Ich bin total konzentriert. Ich weiß nicht, wie es um mich herum aussieht. Auch den Blick durch die Leiter nehme ich nicht wahr. Dadurch auch nicht, wie weit oben ich schon bin. Nur nicht daneben greifen oder treten, wiederholt sich immer wieder in meinem Kopf. So kletter ich weiter.
Je dichter ich dem Ziel komme, umso schmaler wird die Leiter. Als ich das wahrnehme, bemerke ich erst, welche Höhe ich erklommen haben muss. Doch wahrnehmen kann ich sie nicht. Auch nicht, wie viele Stufen ich noch überwinden muss. Ich bin voll im Tunnel.
Tunnelblick löst sich im Korb
Plötzlich habe ich die Umlenkrolle für meine Sicherung vor Augen. Mein Ziel: Nur ein paar Stufen entfernt. Ich atme jetzt tief durch. Mein Zeitgefühl ist auf der Strecke geblieben, aber irgendwie denke ich mir – das kann noch nicht das Ende sein. Der Weg von unten sah so weit aus, und ich bin in gefühlten Sekunden im Korb angekommen. Dort erwartet mich Jan Heiko Brauer. Für einen kurzen Moment genießen wir beide den Ausblick auf die Schleusenstadt.
Dann geht es auch wieder nach unten. Dieses Mal aber mit mechanischer Hilfe und stehend im Korb. In wenigen Sekunden habe ich wieder festen Boden unter den Füßen. Mein erster Blick, nachdem ich die Drehleiter verlassen habe, gilt meiner Pulsuhr: Mich interessiert, ob ich die Höhe und die Anstrengung nun noch ablesen kann. Ich bin etwas enttäuscht: 73. Leicht erhöht (zum Vergleich: beim Tippen dieser Zeile liegt er bei 66). Ich erkläre mir den niedrigen Herzschlag mit der kurzen Zeit im Korb und der Fahrt nach unten: Denn der Aufstieg hat mich ganz schön ins Schwitzen gebracht.
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