Wort zum Sonntag

Der Große und der Kleine

Die Hände sind ab. Das Loch im Kopf wird größer. Die Nordseeluft macht’s. So lugt er hervor aus dem Efeu. Alabasterweiß und gealtert. „Da bin ich ja platt“, entfährt es der Lady, selbst Urgestein in Büsum. Aber lange noch nicht so alt wie die mannshohe Statue. Ihre Augen heften sich an die Umrisse. Sie guckt und staunt. Er sieht genau aus wie meiner! entfährt es ihr. Still steht er da. Leichtfüßig. An Anmut klebt immer auch etwas Einsames. Hier nicht. Meine Angst ist verschwunden, wenn ich diesen Jesus sehe. Ja, das geht mir auch so, sagt die alte Dame. Er strahlt etwas Anderes aus. Gelassenheit. Er ist so ohne Sorge. Könnten wir jetzt gut gebrauchen. Keinen Kummer mit der Altersvorsorge, genügend Vorräte in der Kammer und Geld auf der hohen Kante für harte Zeiten. Im Efeu tschilpt und pickt es. Haben die Vögel Angst?, fragen wir uns. Wir schütteln nur unsere Köpfe. Sie sorgen nicht vor und leben doch. Darum habe ich meinen kleinen Jesus. Er erinnert mich immer mal daran, sagt die Lady und zieht langsam von dannen.

Pastorin Ina Brinkmann, Büsum

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