Wort zum Sonntag

Hinschauen!

Ich laufe durch die Straßen meiner Stadt. Kerzen sind am Rand des Gehweges abgestellt. Sie erinnern an die junge Frau, die auf offener Straße erschossen wurde. Hier bei uns ist eine Frau umgebracht worden, weil sie eine Frau war. Ein Femizid – ein Mord an einer Frau durch einen Mann, weil sie eine/seine Frau war. Jede Woche sterben zwei bis drei Frauen in Deutschland an einem Femizid.

Jede dritte Frau vermeidet es, in Deutschland nachts allein auf die Straße zu gehen. Es fühlt sich offensichtlich bedrohlich an eine Frau zu sein. Für viel zu viele Frauen sind Gewalterfahrungen Realität. Die Frauenhäuser in Schleswig-Holstein müssen regelmäßig Frauen abweisen, weil sie voll belegt sind. Unsere Gesellschaft hat ein Problem. Durch den Mord in Heide ist dieses Problem etwas bewusster geworden. Aber was können wir tun? Wir können gut aufeinander achten, auf die stillen Signale, dass es bei der Nachbarin zuhause nicht gut ist, wir können hinschauen und Hilfe rufen, wenn ein Streit laut und handgreiflich wird. Wir können uns einsetzen dafür, dass das Problem nicht verharmlost wird, sondern benannt und politisch bearbeitet wird. Weil es um die Zerstörung des Lebens einer jungen Frau und Mutter geht, und nicht um eine Zahl in der Statistik, deshalb zünden wir ein Licht an.

Astrid Buchin, Pastorin in Heide

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