Wort zum Sonntag
Ich gebe dir einen Engel mit
Sie hatten erbittert gestritten. Worüber, hatten sie vergessen. Vielleicht war es die Butter, die nicht in den Kühlschrank gehört. Möglich auch, dass es um Größeres ging. Es kam sicher das Wort „immer“ vor. Immer vergisst du den Müll rauszubringen. Immer muss ich an alles denken. Immer willst du zu Weihnachten zu deinen Eltern fahren. Als sie so erbittert stritten, vibrierte das Mobiltelefon. Wer wollte denn da nun schon wieder etwas? Automatisch griff sie zum Handy. Er runzelte nur die Stirn und guckte sie grimmig an. Immer war das wichtiger.
Oh, unsere Nichte ... entfuhr es ihr nur ganz kurz. Es poppte ein Foto auf. Große weiße Flügel, zart schimmernd, waren zu sehen. Und davor die Zwölfjährige mit einer Pappe in der Hand. „Ich gebe euch einen Engel mit“, stand da drauf. Und weiter: „Für meine liebste Tante und den tollsten Onkel der Welt. Frohe Grüße zum Advent.“ Beide verstummten. Sie staunten. Ihr Nichte als Friedensbotschafterin. Ganz unvermutet. Als ob sich himmlische Grüße zwischen sie gestellt hatten. Sie brachten es nicht mehr über sich, sich jetzt noch anzuschreien.
Pastorin Ina Brinkmann, Wesselburen
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