Wort zum Sonntag

Verheißungsvoll

Strahlende Sonne. Die Bank vor der Kirche lädt ein. Die Frau mit Kopftuch sitzt hier häufig. Guckt, was sich so tut. Sie hat schon viel gesehen. Ihr Gesicht erzählt davon. Auch ihre Hände. Wir grüßen uns seit einiger Zeit. Heute setze ich mich neben sie. Ich fange an zu reden. Wer ich bin und was ich tue, deute auf die Kirche. Sie fängt an zu reden, wer sie ist. Ich auf Deutsch. Sie auf Rumänisch. Sie erzählt, dass sie zwei Söhne hat. Immer wieder betont sie „Fiul“. Später erst begreife ich als ich nachschlage. Wie unterschiedlich wir doch sind: Die Frau ist stolz auf ihre Söhne, ich bin erfüllt von meiner Aufgabe. Sie wird die Zeit Ceausescus erlebt haben, ich konnte immer frei wählen. Ich spüre: Da sind Welten, die sich hier treffen. Wir schauen uns in die Augen und lächeln unser Nichtverstehen weg. Was macht die Frau zum Abschied? Sie führt ihre Finger zum Mund und wirft mir einen Kuss zu. Dass Güte und Treue einander begegnen, Gerechtigkeit und Friede sich küssen, so heißt es im Psalm 85. Kaum habe ich es je stärker gespürt.

Pastorin Ina Brinkmann, Wesselburen

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