- Gesundheit im Dialog -

Herausforderndes Verhalten Demenzkranker: Einfühlen statt korrigieren

Wenn demenzkranke Menschen aggressiv und laut oder gar handgreiflich werden, bringt das nicht nur pflegende Angehörige, sondern auch beruflich Pflegende bisweilen an die Grenzen. In Kooperation mit unserer Zeitung informiert die AOK NordWest, welche Maßnahmen nicht nur beruhigend auf die Demenzkranken wirken, sondern auch die Pflegefachkraft entspannen können.

Zwei Beispiele aus Dithmarschen für herausforderndes Verhalten – ein Symptom, das mit einer fortschreitenden Demenzerkrankung einhergeht: Die 89-jährige Frau B. gibt Töne von sich, wobei sie die Lautstärke immer weiter steigert. Plötzlich bricht sie ab und lässt ein kehliges „Mämämämä“ hören, das ebenfalls abrupt abbricht. So geht das über Stunden hinweg. Für die Umgebung ist das schwer auszuhalten.

Der 85-jährige Herr M. eilt nur im Schlafanzug bekleidet zum Aufzug, er müsse die Station unbedingt verlassen, weil er doch pünktlich zur Arbeit kommen möchte. Eine Pflegekraft stellt sich ihm entgegen, um ihn davon abzuhalten. Der Bewohner wird wütend, beschimpft die Fachkraft und versucht sie wegzuschieben. Zwei Beispiele für herausforderndes Verhalten – ein Symptom, das mit einer fortschreitenden Demenzerkrankung einhergeht.

Auffälliges Verhalten ist nicht persönlich gemeint

Der wichtigste Punkt dabei: versuchen zu verstehen und sich einzufühlen. Auch erfahrene professionell Pflegende in den Altenpflegeeinrichtungen können durch das Verhalten der demenzkranken Bewohnerinnen und Bewohner wie Schreien, Beschimpfen, Schlagen oder mit Gegenständen werfen, an ihre Grenzen kommen. „Es ist hilfreich, sich immer wieder vor Augen zu führen, dass dieses Verhalten nicht persönlich gemeint ist, sondern Symptom einer Erkrankung“, sagt AOK-Expertin Anja Schmidtpott und betont: „Letztlich handelt es sich um einen Versuch zu kommunizieren.“

Gründe verstehen

Wie kommt es zu solch auffälligen Verhalten im Zuge einer Demenz? Die Rahmenempfehlungen des Bundesgesundheitsministeriums sowie die Leitlinie „Demenzen“ raten zu einer sogenannten verstehenden Diagnostik, bei der Ärzte, Ärztinnen und Pflegekräfte ernsthaft versuchen, Zugang zur Befindlichkeit und zum Erleben des Betreffenden zu erhalten.

Wenn versucht wird, so heißt es dort, die Perspektive des Betreffenden einzunehmen, „erweist sich ein Verhalten, das in der ersten Reaktion als störend empfunden wurde, oft als unverstandenes Verhalten“. Ängste, Überforderung, Missverständnisse oder auch unbewältigte Lebensthemen können hinter aggressivem Verhalten stecken. Eine störende Lärmkulisse, die fehlende Brille oder die Umstellung in der Alltagsroutine können für den Betreffenden unter anderem bedrohlich sein. Und natürlich führen auch die Veränderungen durch die Krankheit selbst bei den Demenzerkrankten zu Frust und nicht selten zu Verbitterung.

Medikamente sind weniger wirksam

Unruhige, ängstliche, aggressive Bewohnerinnen und Bewohner erhalten oft Medikamente, um die Situation zu entschärfen. Doch Studien legen nahe, dass andere Maßnahmen – wie zum Beispiel Aktivitäten im Freien, Berührungs- oder Massagetherapien sowie Musik – wirksamer sind als eine pharmakologische Therapie. Wenn Medikamente eingesetzt werden, dann sollte das in der geringstmöglichen Dosis über einen wenn möglich nur kurzen Zeitraum und unter engmaschiger Kontrolle geschehen.