
Theaterprojekt gegen Rassismus
Nach acht Stunden Unterricht ging es erst richtig los, denn dann machten die Mitglieder der Theater-AG der Oberstufe an der Waldorfschule oft bis in den Abend weiter. Sogar in den Ferien texteten sie, mixten Audio- und Video-Dateien und probten ihre Auftritte. Sie haben ein hochaktuelles Stück geschaffen, indem die Schüler die emotional aufgeladene Debatte zur Migrationspolitik aufgriffen haben. Als sie es konzipierten, eskalierten im Bundestag gerade die Diskussionen über den Umgang mit der AfD.
Bettina Gross, Leitung der Theater-AG, erzählt, es sei ursprünglich eine Krimikomödie geplant gewesen – statt Klamauk nun Tiefgang. Schnell habe sich herausgeschält, ein Stück gegen Rassismus zu entwickeln. Ihre Arbeitshypothese: In der Fülle der oft lauten Botschaften von allen Seiten sei es besonders wichtig, eine klare Haltung zu entwickeln, statt vorgefertigte Meinungen nachzuplappern.
Der Kunstgriff, der das Stück zu einem Kunstwerk werden ließ, darf hier schon verraten werden: Die Schüler stellten vor allem viele Fragen in den Raum – ohne Antworten, aber mit Gänsehautmoment. Drastisch appellierten sie so an Gefühl und Verstand der Zuschauer, erst einmal nachzudenken, statt zu schnell Antworten herauszuposaunen.
Kunstvoll auch der Mix aus lauten Klangteppichen, wie sie in (sozialen) Medien transportiert werden, und nachdenklich stimmenden Zitaten großer Vordenker. Da mahnt Nelson Mandela, der Kämpfer gegen Apartheid in Südafrika, wer hassen gelernt habe, könne auch lernen zu lieben – „denn die Liebe kommt dem menschlichen Herzen natürlicher entgegen als ihr Gegenteil.“
Hinterfragen hat System in dem Stück, oft im Dialog der Schauspieler: Besonders eindringlich dieser Wortwechsel: „Wann wird Verantwortung zu Schuld?“ - „Wann wird Schuld zur Gleichgültigkeit?“ - „Und wann zur Wiederholung?“
Genial auch die Idee, mit einem Rassismus-Test das Publikum nachdenklich zu stimmen. „Haben Sie schon einmal jemanden anders behandelt, weil er eine andere Herkunft hatte?“ - „Hm...na ja, nein, nicht bewusst. Oder zählt das, wenn ich unsicher bin, wie ich mit jemandem umgehen soll?“
Das führt direkt zu weiteren Stichworten wie Ländern, Grenzen, Heimat, Pässen, Freiheit und Gerechtigkeit. Das Ensemble erinnert bei passender Gelegenheit ans Grundgesetz, dass die Gleichheit aller Menschen betont und die Freiheit der Meinungsäußerung festschreibt.
Wie ein Fazit für das ganze Stück wirkt dies: „Rassismus ist nicht nur, was du tust. Es ist auch, was du nicht tust.“ Gerührt blickt Bettina Gross zurück auf die Arbeit mit dem Ensemble: „Für mich war es großartig, mit ihnen zusammenarbeiten zu dürfen – geradezu eine Ehre war es.“

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